Sonntag, 14. Dezember 2003
Zur Geschichte der Chaostage:

Findet man einige sehr interessante Infos auf der Website der Phil Fakultät der Uni Frankfurt im Anhang 2 .

In diesem Bericht versucht Michael Nagenborg, M.A. die Thematik Gewalt in den Medien
näher zu analysieren. Den Schwerpunkt seiner Publikation bildet die Frage, wie man mit Gewalt Schlagzeilen machen kann- und um Rückkopplungseffekte von dokumentarischen Gewaltdarstellungen am Beispiel ›Chaos-Tage‹.

Seit 1982 wird in der deutschen Punkszene und ihr nahestehenden Gruppierungen zu ›Chaos-Tagen‹ in Hannover und anderen Städten aufgerufen. In Hannover finden diese jeweils am ersten Augustwochenende statt. Der ursprüngliche Anlaß war die Einrichtung einer sog. ›Punker-Kartei‹ durch die Landespolizei, die durch eine möglichst große Anzahl von anwesenden Punks ›gesprengt‹ werden sollte. 1994 kommt es (nach zehnjähriger Pause) zu einem Wiederaufleben dieser Treffen, die in den Medien erstaunlich viel Beachtung fanden.

Natürlich kommt es auf den Chaostage regelmässig zu Auseinandersetzung zwischen den Linksradikalen und der Polizei. Doch, dass scheint die Demonstrierenden nicht weiter zu stören:

Wozu ein Chaos Tag?«: »›Keine Gewalt‹ heißt es, und gemeint ist eigentlich nur ›Ich will meine Ruhe haben!‹. ... Nun, wenn man seinen Arsch im Trockenen und sich ansonsten mit den Ungerechtigkeiten der Welt abgefunden hat, dann braucht man natürlich keinen CHAOS-TAG.«. Und eine andere Teilnehmerin der Chaos-Tage schreibt im gleichen »ZAP«-Sonderheft über eine Auseinandersetzung mit der Polizei: Einige »bewaffneten sich mit ein paar Steinen und Flaschen, weil sie keine Lust hatten, ... willenlos wie Schlachtvieh einzufahren. Außerdem sollte diesen Scheißern gezeigt werden, daß sie nicht ungestraft Hannover ins Warschauer Ghetto verwandeln können. Es war zwar klar, daß wir nicht gewinnen konnten, aber darum ging es auch gar nicht. Wer jetzt meint, daß Rache Scheiße sei, der soll seinen Widerstand weiter damit zeigen, daß er zuhause sitzt, kifft, kluge linke Sprüche kloppt und alles mit sich machen läßt, was der Staat vom ihm verlangt.«.

Auch in den Jahren 1995/96 fanden schlimmste Strassenschlachten statt:

›Widerstand gegen die Staatsgewalt‹ taucht auch in der Liste punktypischer Delikte in der Verbotsschrift zu den Chaos-Tagen 1996 auf. In der Einleitung der Verbotsschrift heißt es: »Punks aus dem In- und Ausland brachten ... [1995] Gewalt in nicht erwartetem Ausmaß nach Hannover und lieferten sich über Tage mit der Polizei erbitterte Straßenschlachten. Neben beispielloser Gewalt gegen Polizeibeamte, wurden Barrikaden errichtet, Pkw in Brand gesetzt und ein Supermarkt geplündert. Der Gesamtschaden beläuft sich nach den hier bekanntgewordenen Schadenssummen auf ca. 800.000 DM.«. Anzumerken ist hier, daß der Bau von Barrikaden (und vielleicht auch das Inbrandstecken von Fahrzeugen) ein Teil der Straßenschlacht zwischen Punks und Polizei waren. Aus Punksicht stellt sich das eigene Verhalten wie folgt dar: »Obwohl schon seit Tagen mehrere hundert Punks in der Stadt waren, war z. B. die Lage am Bahnhof bis Donnerstag Mittag VÖLLIG FRIEDLICH. Dennoch räumte die Polizei mit einem imposanten Einsatz urplötzlich die Punks aus der Stadt, die dies sogar friedlich geschehen ließen. ... Erst als bald darauf auch die Punks in der Nordstadt systematisch vertrieben wurden, eskalierte die Lage, schlugen die Punks zurück. Diese Gegenwehr mag manchen nicht passen, aber Punk heißt nun mal nicht, sich widerstandslos wie ein Stück Scheiße behandeln zu lassen!«.

Schwierig sich da eine wirkliche Meinung zu bilden. Beide Seiten scheinen aus der gewalttätigen Vergangenheit eine Menge gelernt zu haben, bzw. geprägt worden zu sein. Sowohl Punks als auch Polizei scheinen schneller als üblich aggressiv gegen die "Opposition" zu handeln, um schlimmeres zu vermeiden...Dennoch sind beide nicht gerade unschulds Lämmchen. Oft genug konnte man in den Nachrichten miterleben, dass sich auch die Staatsvertreter nicht immer unbedingt korrekt verhalten.

Die Polizei wirkt nicht souverän, die Maßnahmen überzogen, insbesondere weil die Anzahl der Darstellungen von verletzten Punks deutlich überwiegt. Problematisch daran ist, daß man gegen einen Gegner, der nicht fair kämpft, selber eher bereit sei mag, unfaire Mittel einzusetzen, und dies kann zu einer Verschärfung zukünftiger Konflikte führen.

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